Das Corona-Reisejahr für Reisefreunde
In den Monaten, in denen ich nicht reisen konnte, habe ich mir die Länder einfach nach Hause geholt.

In den Monaten, in denen ich nicht reisen konnte, habe ich mir die Länder einfach nach Hause geholt.
Unser Interview mit Angelika von Reisefreunde
Bist Du dieses Jahr gereist? In welche Länder bist Du hierbei geflogen/ gefahren? Oder hast bist du innerhalb Deutschlands? Wie sind Deine Erfahrungen dabei gewesen?
Meine erste Arbeits-Reise führte mich dieses Jahr Mitte Februar nach Iran. Ein Land, das ich seit 25 Jahren bereisen wollte. Ich habe etliches über das Land gelesen, habe mir von Kollegen berichten lassen, wie es wirklich vor Ort ist – und Freunde, die dort Familie haben oder in Iran aufgewachsen sind, wollten mich auf das vorbereiten, was mich dann tatsächlich dort erwarten würde. Auf die Freundlichkeit der Iraner war ich also vorher eingestellt, natürlich wurde sie vor Ort deutlich übertroffen. Auf den Ausbruch von Corona allerdings war ich nicht vorbereitet.
Wenige Tage nach meiner Ankunft, nach der Wahl, wurden die ersten Infektionsfälle bekannt gegeben, denen man mit ein wenig Ahnung über die Situation in Iran, natürlich nicht blind trauen konnte. Viele Iraner, die ich auf meiner Rundreise traf, schätzten die tatsächlichen Zahlen der Infizierten und Toten als deutlich höher ein. Die Lage war ernst.
Die Dramatik entwickelte sich dann sehr schnell. Aus den internationalen Medien erfuhr ich, dass mir die Turkish Airlines meinen Rückflug gecancelt hatte – ohne mir allerdings Bescheid zu geben, was mich in arge Schwierigkeiten gebracht hat. Denn durch das Embargo kann man in Iran als Ausländer keinerlei Kartenzahlung vornehmen, so dass ich mir ohne fremde Hilfe nicht mal einen alternativen Rückflug buchen konnte. Die wenigen Airlines, die das Land noch angeflogen, haben dann ebenfalls schnell ihre Flüge eingestellt.
Ich bin aber dank der Hilfe guter Freunde, guter Connections und viel Druck auf die hiesige Agentur, doch noch als eine der Letzten aus dem Land ausgereist. Alles in allem war das natürlich wahnsinnig nervenaufreibend, sehr beängstigend und fordernd. Die Zeit in Iran will ich trotzdem nicht missen.
Das was Ende Februar. Dann war natürlich auch für mich erstmal Reisestopp, ich ging in Quarantäne, danach folgte der Mini-Lockdown – und danach ist sukzessive der Reisemarkt zusammengebrochen.
Im August war ich, auch ebenfalls bevor dort eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen wurde, in Paris. Natürlich habe ich sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, habe nur die besten Masken getragen und mich an alle Vorschriften gehalten, um mich und andere zu schützen. In Paris selbst trugen viele schon vor der eigentlich Anweisung (die dann während meines Aufenthaltes folgte) Masken auch unter freiem Himmel auf der Straße. Ich dann eben auch, das war zwar bei über 35 Grad nicht ideal, aber völlig machbar.
Paris war deutlich leerer als sonst im August, dem Monat, in dem viele Einheimische eh die Stadt verlassen, um in den Sommerurlaub zu gehen. Dieses Jahr aber fehlten eben auch die Touristen aus Übersee, das merkte man deutlich. Das ist, muss ich zugeben, natürlich für den individuell Reisenden eigentlich ganz angenehm, aber jemand wie ich, sieht natürlich auch die wirtschaftliche Seite dieser Medaille. Schließlich bin ich ein Teil der Tourismusindustrie, und mir blutet das Herz, dass die Lage für viele Unternehmen so schlecht ist.
Im Oktober dann werde ich, wenn alles gut läuft, nach Graz zu einem Trüffelfestival reisen – die Stadt gehört zu meinen Lieblingsstädten in Europa. Ich bin großer Fan der österreichischen Küche und wenn dann auch noch Trüffel dazukommen, wird das sicherlich auch mit Maske und Abstand eine tolle Reise.



Natürlich hat sich mit Corona für Reisende alles geändert. Reisen ist teilweise ja gar nicht mehr möglich, weil Grenzen geschlossen sind – oder weil eben Quarantäne Regelungen für viele bedeutet, dass sie zweimal 14 Tage isoliert bleiben müssen – und sich ein Urlaub so natürlich nicht mehr lohnt.
Von den Situationen, wenn man denn wirklich reist, mal ganz abgesehen. Die Pandemie ist ja akut, also wird man ständig zu Recht daran erinnert.
Dennoch habe ich auf meinen Reisen dieses Jahr auch Momente gehabt, die mich haben abschalten lassen, ohne unvorsichtig zu sein. In Paris habe ich morgens den Sonnenaufgang gefilmt, ich war der einzige Mensch auf der Straße. Neben mir ein noch warmes Croissant und ein Kaffee – und der Eiffelturm im goldenen Sonnenlicht. Es war fast wie früher, nur ein wenig schöner.
Und die ganze Reise nach Iran war wie ein Traum, nur die letzten Tage waren immer dann, wenn ich mich darum kümmern musste, wie ich wieder nach Hause komme, ein echter Alptraum.
In den Monaten, in denen ich nicht reisen konnte, habe ich mir die Länder einfach nach Hause geholt. Auf meinen kleinen Foodkanal Bonappetrip (Homepage: bonappetrip.de Instagram: BonAppetrip) habe ich direkt nach der Rückkehr aus Iran angefangen, einfache und schnelle Rezepte aus aller Welt zu kochen – und dies zu filmen. So sind gut 100 tolle internationale Rezepte entstanden, die bis heute auf meinem Instagram Kanal im Archiv abrufbar sind. Das hat nicht nur mir richtig viel Spaß gemacht, sondern viele Follower inspiriert, sich auch ein wenig Urlaubsfeeling nach Hause auf den Teller zu holen. Das Feedback war überwältigen, viele waren froh, dass ich ihnen ein paar Anregungen liefern konnte, denn kochen mussten ja plötzlich alle.
Aber auch für die Restaurants, Cafés und kleinen Shops hier in Berlin bin ich aktiv geworden – und habe schnell eine Open Google Map gestartet, in dem sich Berliner Gastronomen und Ladenbesitzer, die kein Geld für Werbung hatten, eintragen konnten. So dass man als Gast und Kunde sehen konnte: welche Läden in den Berliner Kiezen eigentlich zum Beispiel gerade regionale Lieferungen anbieten, und wer wann geöffnet hatte.
Ich glaube an lokale kleine Geschäfte, ich möchte, dass sie und die Gastroszene, die unsere Städte so lebenswert machen, diese Pandemie durchstehen. Die Karte werde ich jetzt zum Winter wieder aktivieren. Die Idee kam extrem gut an – und einiger meiner Kollegen haben die Idee in anderen Städten und sogar im Ausland kopiert. Nur gemeinsam und mit kreativen Ideen kommen wir durch die Krise.



Erzähle uns allgemein etwas über Deine Gedanken und Erfahrungen. Wie hast Du das Jahr für Dich erlebt im Zusammenhang mit dem Thema Reisen und wie siehst Du die Zukunft des Reisens bzw. auch die Zukunft Deines Blogs.
2020 war für mich wie viele meiner Kollegen in der Branche sicherlich das härteste Jahr, das wir bisher beruflich erlebt haben. Und es ist ja auch noch nicht vorbei. Ein Segen und die besten Wünsche vom Papst sind für Gläubige sicherlich ein Trost, für die leeren Kassen der Tourismuswirtschaft aber bringt das alles herzlich wenig.
Für mich selber wird es weitergehen, ich musste nie von meinem Blog leben, meine Einkünfte erziele ich aus der Arbeit für andere. Die Freiheit auf Reisefreunde ehrlich zu sein und zu schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, war und ist mir nach wie vor wichtig. Reisefreunde wird es also weitergeben, wenn auch eben aktuell mit deutlich weniger Geschichten.
An meinen Iran Erfahrungen schreibe ich noch, auch die Paris-Geschichten sind noch in der Mache. Damit lasse ich mir noch etwas Zeit, wenn man wieder ohne Sorgen diese Ziele reisen kann.
Generell denke ich, dass Corona sicherlich Reisen verändern wird, auch wenn wir die Infektionen dank eines Impfstoffes hoffentlich kommendes Jahr in den Griff bekommen. Man darf nicht vergessen, dass das Virus auch die Tourismuswirtschaft befällt und Marktteilnehmer in den Konkurs gehen werden. Wie sich das auf den Markt langfristig auswirkt, ist eine Frage, die ich weder beantworten kann, noch will. Eines aber hoffe ich. Dass wir nach Corona wieder alle etwas langsamer reisen. Und Reisen wieder zu einem echten Erlebnis werden, nachhaltiger, echter, und näher am wahren Leben vor Ort – und wir alle wieder zu wahren Reisefreunden werden.